Michael Meier & Christoph Franz: Es kommt mit der Zeit

Michael Meier & Christoph Franz: Es kommt mit der Zeit

Online Viewing Room
Opening

Apr 24, 2021 4:00 PM

Closing

May 24, 2021 4:00 PM

Location

Kunstplätze, temporary art in districts of the city of Bern

Freiburgstrasse 121, Freiburgstrasse 72a, Bahnstrasse 22

3008 Bern

Mitwirkende Künstler
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Städte verändern sich. So offensichtlich die Beobachtung, so tiefgreifend die sozialen u.ökonomischen Folgen. In jüngerer Zeit waren diese Veränderungen Ausgangspunkt hitziger Debatten. Unter dem „politischen Kampfbegriff“ (Hartmut Häussermann) ‚Gentrifizierung‘ wird diese Entwicklung als politisch gewollter Prozess der Aufwertung gefasst. Betroffen sind meist zentrumsnahe Stadtteile, deren attraktive Lage, vielversprechende Bausubstanz und einladenden Grünflächen sich leicht zu komfortablen Wohn- und Lebensräumen umgestalten lassen. Meist führen die baulichen und stadtplanerischen Eingriffe aber zu steigenden Immobilienpreisen und Mietzinsen und verdrängen damit ärmere Bevölkerungsschichten. An dieser Entwicklung besonders brisant undumstritten ist, wer wofür verantwortlich zeichne. Dass Kunst, Subkultur oder eine alternative Lebensweise insgesamt zentrale Treiber dieser Veränderungen sein sollen – so eine der Thesen in der Forschung – ist jüngeren Datums und stellt die Akteur*innen der genannten Szenen vor grundsätzliche Probleme.Im Berner Stadtteil III Mattenhof-Weissenbühl spielt sich aktuell eine Entwicklung ab, die nahezu alle Merkmale einer regulären Gentrifizierung umfasst und zugleich versucht, dieser mit produktiver Kritik zu begegnen. Davon zeugt exemplarisch das Projekt Es kommt mit der Zeit von Michael Meier & Christoph Franz. Aktuell wird im Gebiet Holligen viel gebaut - alleine auf dem Areal der ehemaligen Kerichtverbrennungsanlage kommen sechs neue Bauten zu stehen. Die WohnbaugenossenschaftWarmbächli verantwortet davon die einzige, die auf ein bereits bestehendes Gebäude aufbaut. Als Stützpfeiler dienten während dem Umbau rohe Baumstämme. Michael Meier & Christoph Franzwollten diese Stützen in irgendeiner Form im Quartier belassen.Ein grosser Teil der Häuser in Holligen ist alt, sie haben mindestens äusserlich seit Jahrzehnten keine Renovation erhalten und werden wohl, wenn denn die Gentrifizierung ihren Lauf nimmt, in absehbarer Zeit ebenfalls der Logik aufwertender Umgestaltung unterzogen. Aufgrund dieser Ausgangslage entschlossen sich Meier & Franz für partielle „Instandsetzungen“ – so ihr Begriff – dervorhandenen Bausubstanz, die Wahl fiel auf die Türen. Die teilweise lotterigen und durchwegs verwitterten Eingänge werden als vollkommen identische Kopie aus dem frischen Holz der Warmbächli-Baustelle nachproduziert und wieder an ihrem ursprünglichen Ort eingesetzt. Die ausgebauten alten Türen ihrerseits werden in das umgebaute Gebäude der Wohnbaugenossenschaft Warmbächli integriert. Gemeinsam mit Schreinern aus dem Quartier wurden so 18 Baumstützen zudrei Türen verarbeitet.Eingebaut, scheint das helle Holz der Türen vor den grauen Fassaden fast zu leuchten. Die hellen Rechtecke sorgen für einen Moment des Staunens, womöglich des verwunderten Nachfragens, warum in aller Welt ein verwittertes Haus sich ausgerechnet eine neue Haustür zulegt. Um Verwunderung undAufmerksamkeit ist es den beiden Künstlern zu tun, die einen dafür sensibilisieren, wie kleinteilig und alltäglich Veränderungen sich im Stadtbild abzeichnen.

Rachel Mader: Stadtwandeln in Es kommt mit der Zeit,Michael Meier & Christoph Franz, 2021 (gekürzte Fassung)

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