nachts wach

nachts wach

Online Viewing Room
Opening

Feb 1, 2024 6:00 PM

Closing

Mar 21, 2024 6:00 PM

Location

Livie Fine Art

Claridenstrasse 34

8002 Zürich

Mitwirkende Künstler
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Als der französische Maler Nicolas Poussin um 1627 erstmals die Inschrift «Et in Arcadia Ego» in einem seiner Hirtengemälde verewigte, entzündete der lateinische Satz auf dem steinernen Epitaph ein Wirrwarr verschiedener Deutungen. «Auch ich (bin) in Arkadien» – lediglich eine grobe Übersetzung der grammatikalischen Unübersetzbarkeit – stellt uns nicht zuletzt vor die Frage, wer denn hier genau spricht. Woher die unbekannte Stimme rührt, können wir zumindest teilweise ermitteln, bezieht sie sich doch auf den antiken Mythos Arkadiens: Dieser idyllische Ort, an dem Menschen jenseits körperlicher Arbeit und gesellschaftlichem Anpassungsdruck als zufriedene und glückliche Hirt:innen weilen, belebte die europäische Renaissance, wie so viele Topoi der Antike, in zahllosen Texten und künstlerischen Reflexionen wieder. Arkadien ist eine idealisierte Vision unberührter Natur, ein poetischer Raum, der sich zugleich auf deren Schönheit und Vergänglichkeit bezieht. Ein Ort zwischen Leben und Tod, zwischen Licht und Dunkelheit. Ein Ort der Entgrenzung und Simulation, mit dem sich auch Manuel Stehli und Stefan Knauf beschäftigen. Die beiden in Berlin lebenden Künstler arbeiten auf den ersten Blick sehr unterschiedlich.

Manuel Stehli gibt in seinen Malereien Figur und Flora zugleich mit transluzenter Fragilität und pastoser Undurchdringlichkeit wieder: entrückt und in ihren Berührungen zueinander (oder zum Bildträger) dennoch allgegenwärtig. Stefan Knauf konzentriert sich auf installative Arbeiten, die einem naturbezogenen wie architektonischen Interesse folgen, auf den Spuren ihrer ideologischen und kolonialen Lücken. Neben einem gemeinsamen Studioalltag verbindet Stehli und Knauf jedoch ein ständiges Ausloten von Abstraktion und Realität. Das schematisch-reduzierte Nachahmen von erkennbaren Formen und Inhalten bringt die ruhenden, gesichtslosen Körper auf den grossformatigen Leinwänden in einen geradezu selbstverständlichen Dialog mit den silbernen Kakteen und reduzierten Landschaftsreliefen aus aufgeblasenem und verzinktem Stahlblech.

Die Werke beider Künstler scheinen traditionelle Dichotomien wie Künstlichkeit und Natur aufzulösen. Sie verwischen gegebene Polaritäten, mit denen wir die Welt um uns herum normalerweise einordnen und betrachten. Auch im Ausstellungsraum selber fordern Manuel Stehli und Stefan Knauf unsere Wahrnehmung heraus. Jenseits des Visuellen beeinflusst der graue Teppichboden die körperlichen Bewegungen im Raum. Unsere Schritte sind bisweilen zaghafter, bewusster, gedämpfter. Einer klaren Mondscheinacht gleich, legt sich ein Schatten über unsere Erfahrungen im Raum. Ein Schatten, der die gegebenen Strukturen und Hierarchien der tagsüber erlebten Realität verschwimmen lässt. Die Nacht als Ort der Entgrenzung und Simulation spiegelt vielleicht auch das wider, was Donna Haraway in ihrem «Cyborg Manifesto» (1985) als hybride Existenz beschreibt: Ein Ort, an dem sich traditionelle Dichotomien auflösen, an dem «die Grenzen zwischen Mensch und Maschine, Natur und Kultur, Organismus und Maschine aufgelöst sind.» An ebendieser Schnittstelle schaffen Stehli und Knauf ein gegenwärtiges Arkadien, eine komplexe Landschaft parallel existierender Ambivalenzen und Gegensätze. Vor dort aus spricht erneut eine unbekannte Stimme zu uns – in diesem Fall als körperlose Metapher für die Hybridität der Nacht, die in ihrer schattenreichen Dunkelheit sowohl Illusionen als auch authentische Erfahrungen und neue Erkenntnisse birgt.

Externer Link:
https://liviefineart.com