Pe Lang, Johanna Bruckner, Jennifer Merlyn Scherler. Schweizer Medienkunst – Pax Art Awards 2022

Pe Lang, Johanna Bruckner, Jennifer Merlyn Scherler. Schweizer Medienkunst – Pax Art Awards 2022

Online Viewing Room
Opening

Apr 1, 2023 6:00 PM

Closing

May 21, 2023 6:00 PM

Location

HeK (Haus der elektronischen Künste Basel)

Freilager-Platz 9

4142 Münchenstein, Basel

Mitwirkende Künstler
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Die Ausstellung Pe Lang, Johanna Bruckner, Jennifer Merlyn Scherler. Schweizer Medienkunst – Pax Art Awards 2022 zeigt neue Werke der prämierten Schweizer Künstler:innen. Der Hauptpreisträger Pe Lang schafft beeindruckende kinetische Installationen. Seine Werke zeichnen sich durch Kompositionen aus, in denen die stets sichtbaren mechanischen Elemente zu einer magischen und poetischen Wirkung beitragen. Die beiden Newcomer:innen Johanna Bruckner und Jennifer Merlyn Scherler präsentieren neue Videoinstallationen. Während Bruckner in bewegten Bildern ihre Reflexionen über die Fluidität von Geschlechtern inszeniert, analysiert Scherler spielerisch Darstellungen von Identitäten und Selbstrepräsentation, wie sie sich in der Populärkultur und in sozialen Netzwerken widerspiegeln.

Pe Lang kreiert kinetische Installationen, die sich durch eine minimalistische Ästhetik auszeichnen, die auf den funktionalen und technologischen Elementen der von ihm konzipierten Systeme beruht. Seine elektroakustischen Installationen sind das Ergebnis einer intensiven Forschungs- und Programmiertätigkeit (1999-2007), in der er mit einer Software für Echtzeit-Simulationen gearbeitet hat. Lang experimentiert lange mit den von ihm verwendeten Materialien, um deren Eigenschaften zu erproben, wie etwa die Reibung zwischen heterogenen Elementen, Magnetismus oder die Interferenz von Wellen. Seine Installationen machen sich die Mechanik und die physikalischen Gesetze zunutze, denen die von ihm verwendeten Materialien unterliegen: Motoren, Aktuatoren (antriebstechnische Baueinheiten, die ein elektrisches Signal in mechanische Bewegungen bzw. Veränderungen physikalischer Grössen wie Druck oder Temperatur umsetzen), Kabel, Silikon, Gummi, Farbfilter, mechanische Teile, Polarisationsfilter und Magnete gehören zu den immer wiederkehrenden Materialien in seinen Arbeiten. Lang kombiniert diese Elemente und Materialien in eleganten und formal faszinierenden Kompositionen so, dass ihr Zusammenspiel zu überraschenden Phänomenen führt, die im herkömmlichen Gebrauch kaum wahrgenommen werden können. Die von ihm konzipierten autonomen Systeme erzeugen zudem aus dem Zusammenspiel ihrer materiellen Komponenten Klänge, und können teils als Musikinstrumente für sich stehen. Langs Arbeiten können als generativ bezeichnet werden: Seine perfekt arrangierten und strukturierten Systeme erzeugen ständig neue Kombinationen in einem faszinierenden audio-visuellen Tanz von Klängen, Farben und Formen. Seine mechanischen Kompositionen, die unendliche Permutationen hervorbringen, stellen eine faszinierende Dialektik zwischen Ordnung und Chaos dar, ebenso wie eine Begegnung zwischen der von Algorithmen beherrschten digitalen Welt und der analogen Welt, die von den Gesetzen der Physik und Chemie bestimmt wird.

Die für die Ausstellung im HEK neu entstandene Arbeit markiert einen Wendepunkt in der Karriere des Künstlers. Zum ersten Mal schafft Lang eine Installation, die aus mehreren thematisch zusammenhängenden Teilen besteht. Das Ensemble ist in einem Raum organisiert, der ein Atelier darstellen kann, aber zu einer anderen Zeit und an einem anderen Ort als dem unseren gehört. Die Objekte und kinetischen Arbeiten, die diesen Raum besetzen, sind von einer Science-Fiction-Erzählung inspiriert, an der der Künstler derzeit arbeitet. Erstmals erhält sein visuelles Werk damit einen erzählerischen Charakter, auch wenn wir die Veröffentlichung seines Buches abwarten müssen, um die symbolischen Bezüge der einzelnen Objekte vollständig zu verstehen.

Pe Lang (*1974) erhielt den mit CHF 30'000 dotierten Hauptpreis der Pax Art Awards 2022.

Das Werk von Johanna Bruckner ist durch einen multimedialen Ansatz gekennzeichnet, bei dem die Performance und der Einsatz des menschlichen Körpers eine tragende Rolle spielen. In ihren Installationen, die formal eine Kombination aus technologischer Maschinerie und organischen Körpern darstellen, erscheinen regelmässig mit Computergrafik-Software generierte Videos, die von Klangkompositionen begleitet werden. Die Künstlerin beschäftigt sich mit Themen der Biopolitik, des Feminismus, der Queer Theory und des Posthumanismus. Die Zusammenarbeit mit Tänzer:innen und Performer:innen war für Bruckner zunächst eine Möglichkeit, Fragen im Zusammenhang mit dem arbeitenden Körper, der Arbeit als Performativität und sozialem Konstrukt zu erforschen und Hypothesen rund um Alternativen zu sozialen Normen zu entwickeln. In ihren neueren Werken entwickelt Bruckner ihre Auseinandersetzung mit sozialen Bindungen weiter, die Bilder umfassen, welche queere Pornografie und Beziehungen zwischen unterschiedlichen Spezies thematisieren. Inspiriert von der Molekularbiologie, der Quantenphysik und dem Studium hybrider Lebensformen trägt Bruckner mit ihren Arbeiten zu einem Diskurs bei, der eine Ökologie der Fürsorge und des Vertrauens fördern will, um eine Welt zu schaffen, in der menschliche und nicht-menschliche Wesen jenseits binärer Regime im Einklang mit der Umwelt und den Technologien, die sie gestalten, zusammenleben.

In ihrer neuen Mehrkanal-Videoinstallation «Metabolic» Hardware» (2023) erforscht die Künstlerin Auswirkungen der Technologie auf den menschlichen Körper und die Mikroorganismen, aus denen er besteht. Der Protagonist des Werks ist ein Sexbot, der geschaffen wurde, um Menschen in ihrer Intimität zu schützen, zum Beispiel in Situationen sexuellen Unbehagens. Während der Sexbot in die menschlichen Emotionen und Wünsche eingreifen und sie verändern kann, entwickelt er auch seine eigenen Reflexionen, in denen er seine Natur, seine Funktion und seine Rolle in der Welt hinterfragt. Bruckner zeigt auch die Installation «Body Obfuscations» (2023) und das Video «Atmospheric Drafts of Intimacy» (2020). Ausgehend von dem Phänomen des Entweichens irdischer atmosphärischer Gase in den Weltraum stellt sie sich die Schaffung ausserirdischer Körper vor und entwickelt eine Reflexion über mögliche posthumane Beziehungen und polymorphe Wünsche.

Johanna Bruckner (*1984) erhielt einen der Pax Art Awards 2022 für junge aufstrebende Künstler im Wert von CHF 15'000.

Jennifer Merlyn Scherler (they/them) konzipiert Installationen, die sich verschiedener Medien und Formate bedienen, von Video über Performance und Fotografie bis hin zur Produktion von geschriebenen und gesprochenen Texten. Im Zentrum der Arbeit Scherlers stehen die Analyse von Internetkulturen, sowie Fragen nach Gender- und kollektiven Identitäten, Selbstrepräsentation und Auswirkungen kultureller Dominanz, deren Strukturen sich in den Sozialen Netzwerken widerspiegeln. Gleichzeitig ist Scherler fasziniert von den Strategien des Widerstands, die bestimmte Nischengemeinschaften entwickelt haben, um nicht konforme Werte und Identitäten zu vertreten. Vor dem Hintergrund Scherlers Recherchen schafft Scherler eine persönliche Bildsprache, die mit Verweisen auf die digitale Populärkultur aufgeladen ist und sich aus online gefundenem Videomaterial und Bildern speist, die durch Elemente persönlicher Erfahrungen ergänzt oder verändert werden, um ein Fantasieuniversum zu schaffen, das sowohl persönlich ist, als auch von den Online-Gemeinschaften wiedererkannt werden kann, von denen Scherler sich inspirieren lässt.

In Scherlers neuen Videoinstallation «Wasteland, Baby!» (Arbeitstitel, 2023) erforscht Scherler, wie Gefühle der Verzweiflung aufgrund der globalen Erwärmung und ökologischer Katastrophen in eine Haltung des Zurück-zur-Natur-Fluchtverhaltens münden. Scherler interessiert sich für mögliche Strategien zur Bewältigung und Akzeptanz von Trauer durch kollektive Rituale. Insbesondere interessiert sich Scherler für die "Cottagecore"-Subkultur, die sich jüngst innerhalb von Communities auf Tumblr, Instagram und TikTok entwickelt hat. Dabei liegt der Fokus auf der ideologischen Ambivalenz der Cottagecore-Ästhetik, die einerseits einen ländlichen Lebensstil in Kontakt mit der Natur romantisiert, sich aber gleichzeitig aus stereotypen und stark heteronormativen westlichen Idealen speist. Scherler beobachtet jedoch die Aneignung und Umformung dieser Ästhetik durch Subkulturen, die solche normativen Elemente ablehnen, und deutet damit auf eine mögliche inklusivere Konnotation des kollektiven digitalen Eskapismus in Form von Cottagecore hin.

Externer Link:
https://www.hek.ch/