Gestalt
Bianca Barandun, Tomas Baumgartner, Sarah Bechter, Sarah Burger, Anna Diehl, Markus Ebner, Christoph und Markus Getzner, Gregory Tara Hari, Jiří Makovec, Jürg Jaberg, Loris Mauerhofer, Toni Monn, Rhona Mühlebach, Drago Persic, Francisco Sierra, Bennett Smith, Reinhard Tobler, Susann Toggenburger, Helmut Wenczel
Die ausgewählten künstlerischen Positionen im Kunsthaus Glarus berühren thematisch Bereiche an der Grenze zwischen Vorstellung und Wirklichkeit. Die Auseinandersetzung mit dem Surrealen, dem Apokalyptischen, dem Psychoanalytischen kann in vielfältige Richtungen abstrahlen und verschiedene visuelle Genres aufrufen. In den Künsten gehen visuelle Ästhetiken und Ausdrucksformen dieser Bereiche nie ganz verloren und erscheinen zyklisch wiederkehrend in verstärkter Form. Diese «Zeiten der Magie» sind oft eine Reaktion auf den Verlust von fixen Referenzen, Regeln oder Systemen. An der Grenze von Vorstellung und Wirklichkeit erscheint im frühen 20. Jahrhundert der Begriff der Gestalt. Er bezeichnet die äussere Form oder die Erscheinung einer Wahrnehmung, ihre Darstellung und aber auch deren Wirkung und Präsenz. In Zeiten, in denen im Gegensatz dazu fixe Referenzen bestehen, werden diese aus künstlerischer Perspektive mit Ironie, konzeptuellen Verschiebungen oder theoretischen Konzepten bearbeitet. So lässt sich zuletzt die Phase der Ästhetiken und Konzepte der 1990er und 2000er-Jahren beschreiben.Mit der Verbreitung des Internets und des Smartphones in den 2010er-Jahren laden plötzlich immer mehr Menschen ihre Inhalte in das Netz, das komplette Wissen über die Vergangenheit und Gegenwart scheint zugänglich, und der für 2012 vorhergesagte Weltuntergang findet nicht statt. Algorithmus-Abläufe beginnen unser Alltagsleben zu berühren und das Format Text als Koordinate der Realität scheint seine Vorherrschaft verloren zu haben. Waren in den 1990er und 2000er-Jahren noch kulturelle Authentizität wichtig, so haben derzeit Zeichen und Symbole ihre klare Bedeutung verloren. Viele Dinge bedeuten viele verschiedene Dinge für viele Menschen. Vielleicht ist das die Apokalypse: eine Dauerschleife in der Orientierungslosigkeit ohne stabile Ethik und Symbol. Es scheint, als ob «uns die Codes programmieren» (Villém Flusser), noch mehr aber, dass wir uns nicht mehr einbilden, diese aufhalten oder brechen zu können. Ästhetiken des Fantastischen sind eine direkte Reaktion auf solche Zeiten. Der Begriff der Gestalt bezeichnet als ein Topos der deutschsprachigen Geistesgeschichte dieses Problem des Übergangs von äusserlich wahrnehmbarer Welt zur inneren Vorstellungswelt. In ihm verbindet sich die Aktivität der Handlung mit der Passivität der Wahrnehmung zu einer Einheit, in welcher der Übergang zwischen Anschauung und Bedeutung verschmilzt.