Fokus

Hortus Cognitionis Tangentis

Conrad behauptet einen Zustand der Glückseligkeit der durch das Wahrnehmen mit den Händen erreicht werden kann. Dabei spielt Material eine grosse Rolle. Im Sinne des Gartens der Erkenntnis wird erkundet, was man mit Material, also dem konsequent Analogen, überhaupt noch arbeiten kann und soll! In einer Zeit, in der wir kurz davorstehen, unsere Gehirne direkt mit dem Computer zu verschalten, scheint unser physischer Körper und seine analogen Fähigkeiten komplett obsolet. Erkenntnis und Wissen durch taktiles "Begreifen". Ein Handgriff erklärt die Welt, macht Dinge begreiflich. Auch wenn dieser Anspruch nicht absolut gedacht ist, spricht der Umgang mit dem Material eine eigene Sprache.

Nach dem Gehirn sind die Hände unsere wichtigsten Organe, weil in ihnen die zweitmeisten Nervenenden zusammenkommen. Tätigkeiten mit den Händen versprechen oft gesund zu sein und glücklich zu machen. Somit wird ein gesunder Umgang mit der Welt, im Sinne diese zu erfahren und erkennen, mit körperlicher Aktivität und Arbeit gleichgesetzt. Vielleicht weil in der Kunst die Handarbeit viel von ihrem Ruf eingebüsst hat, ja sogar Synonym für Hobbytätigkeit und Dilettantismus ist, hat Conrad die Arbeit mit den Händen mit Lehm und Ton aufgegriffen. Dabei spielt hintergründig sicherlich auch seine recht klassische Ausbildung als Steinbildhauer eine Rolle. Es geht aber nicht um eine Romantisierung der Handarbeit. Vielmehr steht eine philosophische Haltung im Vordergrund. Diese hinterfragt den Wert unseres physischen Daseins in einer Welt, wo es bereits neuronale und elektronische Schnittstellen gibt. Wenn man in fantastisch naher Zukunft sein Leben in einer komplett digitalen Welt leben könnte, was wäre dann der Wert unseres physischen Seins? Was kann physisches Material heute noch leisten? Was ist unser Verhältnis zu unserem Körper in einer digitalen Welt, in der wir widerstandslos über ergonomisch geformte Screens gleiten? Kein Widerstand, keine Mühen, nur die glatte Oberfläche...

"Diese Fragen adressiere ich in meiner Werkreihe", so Conrad. Ton in verschiedenen Aggregatszuständen. Einerseits ist er geschmeidig Formbar oder starr getrocknet wie wenn die Zeit angehalten würde. Wieder genetzt wird er wieder geschmeidig. Ton ist ein traditioneller Werkstoff, überschreitet kulturelle und nationale Grenzen und wird seit Jahrtausenden verwendet. Als Gefässe, zum Beispiel, um unterschiedliche Lebensmittel aufzubewahren und frisch zu halten. Der Ton kommt in verschiedenen Formen vor, bezieht sich auf verschiedene Aspekte der Kunst und der Geschichte. Das Material wird zu einer Zeitmaschine. Im ersten Moment der Künstler und im weiteren Verlauf der Arbeit der Betrachter, Arbeiten von Conrad so scheint es verlangen danach, aktiv gewartet und gepflegt zu werden. Er hält er das Material frisch und beweglich und wird zum Konservator. Der Mensch kommt in Conrads Arbeiten nie direkt vor, ist aber immer ein prägendes und bestimmendes Element. Er ist das Mass aller Dinge. 

Isabel Balzer, Kunsthistorikerin, Kuratorin und Publizistin, Basel

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